Finn, Thomas - Weisser Schecken by Finn Thomas

Finn, Thomas - Weisser Schecken by Finn Thomas

Autor:Finn, Thomas [Thomas, Finn]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: babylon
veröffentlicht: 2012-07-28T22:00:00+00:00


Kapitel 3

Dies ater

(Ein schwarzer Tag)

Andreas senkte das Buch mit der schrecklichen Abbildung und sah sich eingehender in dem alten Jugendzimmer Roberts um. Die vielen Bücher in den Regalen beschäftigten sich vornehmlich mit den Kelten. Bücher über archäologische Ausgrabungen fand er ebenso wie solche, die sich mit Brauchtümern, Lebensart und dem Glauben der Altvorderen beschäftigten. Die Folianten waren zum Teil uralt. »Wann hast du die alle gesammelt? Diese Bücher müssen doch sauteuer gewesen sein?«

»Sechzehn Jahre sind eine lange Zeit, Andy.« Sein Freund verzog gequält die Mundwinkel. »Außerdem verdiene ich nicht schlecht. Familie habe ich ja keine. Du denn?«

Andreas schüttelte den Kopf. Robert nickte. »Im Übrigen hat mir Niklas bei dem Aufbau dieser Bibliothek geholfen. Die wirklich wertvollen Sachen liegen bei ihm. Vor allem alte Klosterschriften und so. Bei den Antiquitätenhändlern angefangen von Berchtesgaden bis rauf nach Bad Reichenhall gelten wir inzwischen als Sonderlinge, mit denen sich ordentlich was verdienen lässt. Außerdem pflegen wir übers Internet zahlreiche Kontakte zu Altertumsforschern. Wir waren auch mehrfach in Österreich, Ungarn, Norditalien, Tschechien und einmal sogar in Kroatien, um uns die dortigen Krampus- und Perchtenläufe anzusehen und mit den jeweiligen Brauchtumsspezialisten zu sprechen.«

»Wie bitte? Sogar in Kroatien?«

»Ja, sogar dort. Wir haben natürlich unsere eigenen Schlüsse daraus gezogen. Ihr anderen habt ja leider alle Bande abgebrochen und euch verkrümelt. Doch im Gegensatz zu euch haben Niklas und ich nicht einfach den Kopf in den Sand gesteckt und so getan, als …« Robert hielt inne. »Sorry, ich wollte dir jetzt eigentlich keinen Vorwurf machen.«

»Schon gut.« Die beiden Männer schwiegen eine Weile.

»Und?«, nahm Andreas den Faden wieder auf. »Haben eure Nachforschungen irgendwas gebracht?«

»Der Glaube an Perchta war viel weiter verbreitet als du denkst. Über den ganzen Alpenraum hinweg und auch weit darüber hinaus. Nur ahnst du nicht, wie sehr die Überlieferungen im Laufe der Zeit verdreht wurden. Andererseits weißt du ja selbst, dass die Kirche während der Christianisierung daran nicht ganz unschuldig war.«

Andreas nickte. Zumindest das wusste er nur zu gut. »Nur begreife ich bis heute nicht, warum die Kirche nie gegen diese heidnischen Bräuche vorgegangen ist? Diejenigen, die all das unter dem Deckmantel des Glaubens toleriert und weitergeführt haben, können doch unmöglich so mächtig gewesen sein?«

»Waren sie auch nicht.« Robert schürzte die Lippen. »Es gab immer wieder Versuche, die Perchten- und Krampusläufe auszurotten.«

»Aha, als da wäre?« Andreas musterte Robert eindringlich. Der zuckte hilflos mit den Achseln und nahm ihm den alten Bildband ab.

»Na ja, zum Beispiel im österreichischen Gastein. Da haben die Salzburger Bischöfe mehrfach Verbote gegen die Reste des alten Volksglaubens ausgesprochen. Und das, obwohl die Pfaffen sicher nicht im Mindesten geahnt haben, welcher Schrecken sich hinter dem Brauch verbirgt.«

»Wirklich? Ich meine, wir sind schließlich auch dahintergekommen.«

Robert runzelte kurz die Stirn. »Ist letzten Endes auch gleich.«. Er stellte den alten Folianten ins Regal zurück. »Zumindest waren die kirchlichen Nachstellungen überhaupt erst der Grund, Nikolaus und Engel in die einzelnen Umzüge zu integrieren. Vorher gab es diese Figuren überhaupt nicht. Die Bevölkerung wollte damit offenbar ein gewisses Wohlwollen der Kirche erreichen. Die Krampusläufe waren eben zu beliebt.«

»Ja, oder sie hatten etwas zu verbergen«, murmelte Andreas nachdenklich.



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